DADA
Byzantinisches Christentum - Hugo Ball (the original text)
Man behauptet zwar, dass Dionysius nicht aus Ägypten, sondern aus Syrien stammte, und ich weiss, dass sich vieles und mehr dafür anführen lässt. Von syrischen Kirchenfürsten wird er zuerst zitiert. Nach Syrien deuten viele Bestandteile seiner Liturgie. Nach Syrien weist seine Engels Lehre. Seine geistige Heimat aber ist Alexandria, die hellenistische Weltstadt und Metropole des Gottes Dionysos; jenner vermittelnde Hafenplatz zwischen Orient und Okzident, der ein ungeheures Gemisch der verschieden artiges Kulte im Sinne einer symbolischen universalen Religion zu bewältigen versuchte. Hier residierte in ptolemäischer Zeit das Oberhaupt der ägyptischer Zeit das Oberhaupt der ägyptischen Hierarchie. Hier strömten zur Kaiser Hadrians die Kabbalisten aller Völker zusammen. Hier lehrten die großen Symbolisten Klemens und Origenes, die das Christentum zur spekulativen Weltreligion erhoben.
Was die christliche Katechetenschule begrifft, so wurde sie im zweiten Jahrhundert von dem heiligen Pantänus in ausgesprochenem Gegensatz zu den heidnischen Bildungsanstalten gegründet. Sie verfolgte einen direkt apologetischen Zweck, den Zweck nämlich, die Heiden für das Christentum zu gewinnen und die Christen vor dem gefährlichen Einfluss der heidnischen Philosophie zu bewahren. Diesem Ziele diente einerseits die dehnbare “allegorische” Auslegung der heiligen Schriften, andererseits die konziliante Haltung der Katechetenlehrer den fremden Offenbarungsliteraturen ge genüber, soweit diese sich irgend mit der orthodoxen Tradition vereinbaren ließen. Schon der Jude Philo im ersten Jahrhundert hatte diesen Weg eingeschlagen, von dem man weiss, wohin er führte: zur weitgehenden Hellenisierung der alten Kirche, und schließlich unter Dionysius zur vollendeten Niederlage der Antike.
…. Jerusalem und Athen: das der Gegensatz, dessen Versöhnung dies Alexandriner ihr Denken widmeten. Paulus und Plato: das sind die gegnerische Autoritäten in jenem Geisterkampfe, der entbrannte und der nicht früher als im Jahre 529 mit der gewaltsamen Schließung der Schule von Athen durch Kaiser Justinian seinen Abschluss findet.
Die Geschichte der heidnisch-christlichen Polemik dieser frühen Zeit harrt noch der Darstellung. Wer sich aber in die erhaltenen Dokumente versenkt, wird unschwer erkennen, dass des sogenannten Neuplatonismus, der Widerstreit der Kulturen fast noch großartigere Formen annimmt als selbst zur Blütenzeit des Alexandrinertums. Zu Beginn der neuen Ära war Christentum von den heidnischen Akademien kaum beachtet. Es galt als eine von den vielen orientalischen Sekten, die in den Weltstädten zusammenströmten. Der Imperatorenkult führte zwar zu sensationellen Zusammenstößen, indem er auf römischen Staatsreligion drang. Die offizielle Philosophie indessen war tolerant genug und sah keine Veranlassung, sich über eine vermeintliche Winkel Konspiration von He bräern und Galiläern allzu sehr zu erregen. Geheimkulte gab es Menge. Judäa war eine kleine Provinz. Was mochte von daher Besonderes kommen?
... Kommt es im Christentum auf Mysterien an, nun, auch Solon und Thales, Pythagoras und Plato waren in priesterlichen Geheimwissenschaft eingeweiht. Die Eleusinischen Mysterien waren nicht tot, sie brauchten nur wieder aufzublühen. Schöpften die ältesten Christen - abermals nach Celsus - aus der ägyptischen Halbgötter waren bei den ägyptischen Priestern zu Gast, bei den Indern und Persern für Lehre gewesen.
... Der Neuplatonismus ist mehr als eine Philosophieschule und will auch mehr sein. Man hat erkannt, dass die Hypertrophie der Verstandeskräfte zum Untergang führt; dass der einseitige Wissenschaftskult einem Lebensgesetz widerstreit. Und so versucht man, wenn auch zu spät, eine Korrektur des antiken Ideals, eine Ergänzung des allzu bewussten Menschenbildes nach der phantastischen, wunderbaren, der göttlich-trauhaften Seite hin. Aber mehr. Nicht nur der alte Götterkult soll wieder erstehen, die alte Esoterik. Man will auch dem Christentum seine Waffen entwinden und es auf seinem eigenen Boden schlagen.
... Was verstand man unter Magie, und welche Kulturbestandteile galten vorzüglich als magisch? Nun, der antike Gläubige konnte sich die Verbindung mit Gott Überhaupt nur magisch denken. Der gesamte Gottesdienst ist Magie. Doch scheint es in ältesten Zeiten schon eine Religion für die Menge und eine Religion für die Eingeweihten gegeben zu haben. Die untere bildhafte Grade des Kultes sind allgemein, die oberen geistigen nur den Priestern zugänglich.
Die eigentliche Mysterienfeier besteht in einer Abfolge unerklärlich erhabener Prozeduren. Ein unausschöpflicher Sinn wohnt in den Riten und Zeremonien. Ihrem göttli chen Einfluss vermag sich niemand zu entziehen. Laternen und Lichter in Leuchtender Symmetrie; ein primitives Gemisch von Tier- und Kinderlauten; eine Musik, die in längst verschollenen Kadenzen schwingt: all dies erschüttert die Seele und erinnert sie an ihre Urheimat. Eine Sehnsucht zurück zu allen Anfängen erfasst den Geist, taucht ein in längst vergessene Paradise de Über- und Vorwelt. Seltsam maskierte Gestalten tragen astrale Abzeichen und Symbole, drehen sich im Kreis, zaubern in ihren Bewegungen das milde Abbild der Sternensphäre mitten in einem irdischen Raum.
…Die Gnosis dieser Magie aber ist etwas anderes als der äußere bildhafte Dienst. Sie ist das Wissen um die Bedeutung und die Notwendigkeit der gebotenen Kultur Handlung.
…Der sogenannte freie Mystiker, der seine eigenen Dogmen aufstellt und nach den kirchlichen Normen kaum mehr frägt: er begegnet schon hier, nicht erst im Mittelalter. Sein Prinzip ist die missverstandene Freiheit. Er nährt eine heimliche Rebellion gegen den Priester, als welcher selbst die geistige Lebensform stets der Kontrolle einer Umgebung, einer Gemeinde Unterstellt wissen will.”
1923